Was Nutzer wirklich suchen – Wie und wonach LLMs das Web durchforsten

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Was Nutzer mit LLMs im Web suchen

Eine literarisch-zahlengetriebene Expedition in die LLM-Suche.

1. Prolog: Der uralte Wunschbrunnen gurgelt anders

Früher flüsterten wir Schlüsselwörter in das gleißende Orakel namens Google, warfen unser Kupferstück (sprich: Data Trek) hinterher und hofften auf Treffer Nr. 1. Heute plaudern wir mit Sprachmodellen wie bei einem Glas Wein nach Mitternacht – und erleben, wie sie in Echtzeit das Web für uns durchstöbern. Doch ist das schon das Ende der klassischen Suche? Noch nicht. In Deutschland schluckt Google im Juni 2025 immer noch schlanke 86,6 % aller Suchanfragen; Bing mümmelt sich mit knapp 6 % dazu, der Rest verteilt sich zwischen Entenschwarm und Exoten.

2. Die tektonische Verschiebung – klein, aber messbar

Global sieht es kaum anders aus: 89,5 % Marktanteil für Google, knapp 4 % für Bing. Doch am Rand dieser Kontinentalplatte wächst eine junge Insel – LLM-getriebene Suche. Noch ragt sie winzig aus den Wellen: Schätzungen beziffern ihren Anteil unter 1 % aller Website-Besuche; aber die Kruste hebt sich rasant.

3. ChatGPT – vom Kuriositätenkabinett zum Verkehrsknoten

Im Dezember 2024 zählte Semrush 566 Mio. weltweite Unique Visitors auf ChatGPT, während Google 6,5 Mrd. verzeichnete – Faktor ≈ 11. Doch die Wachstumsrate ist spektakulär: Zwischen Oktober 2024 und März 2025 kletterten die monatlichen EU-Nutzer von 11,2 Mio. auf 41,3 Mio. SemrushSearch Engine Land

Parallel stieg die Zahl der Domains, die überhaupt ChatGPT-Traffic erhielten, von < 10 000 im Juli auf > 30 000 im November 2024. Ein kleiner Meteorit, ja – aber sein Schweif wird länger.

4. Deutschland: Ein Volk von Probierern

Der TÜV-Verband fand Ende 2024 heraus: 53 % der Deutschen nutzen bereits generative KI-Tools. In der Altersgruppe 16–35 Jahre liegt die Quote sogar bei 78 %, schrumpft jedoch auf 26 % bei den Ü-55. Männer greifen öfter zu als Frauen (60 % vs. 45 %). THE DECODER

Nimmt man diese Zahlen und die wachsenden Nutzungszeiten in ChatGPT, zeigt sich: Die deutsche Early-Adopter-Kurve gleicht einer frisch gezapften Weizenbierkrone – schaumig, hoch, doch noch weit vom Glasrand entfernt.

5. Was die Leute wirklich fragen – fünf Archetypen

Eine Semrush-Analyse von 80 Mio. ChatGPT-Clickstreams enthüllt, dass nur 30 % der Prompts sich in klassische Such-Intent-Schubladen stecken lassen; 70 % sind neuartige „Erzähl mir …“- oder „Hilf mir zu denken“-Begehren. Daraus lassen sich fünf suizid-bunte Nutzerfiguren ableiten:

  1. Der Sinnsucher – will Orientierung, Lebensrouten, Karriere-Pivot.
  2. Der Verknüpfer – jagt nach Synthesen, erinnert an Sherlock mit Mind-Map.
  3. Der Maskenträger – braucht Argumente, Rollen, Pitches für jede Bühne.
  4. Der Faktenjäger – nutzt LLMs als wandelnde Enzyklopädie.
  5. Der Handwerker – verlangt Templates, Checklisten, Code-Snippets. Semrush

Vor allem Bildung, Distanzlernen und IT saugen den Löwenanteil ab: zusammen > 9 Mio. Sessions in nur sechs Monaten – deutlich vor Retail, Finance oder Health.

Doch wozu marschieren unsere Archetypen nun tatsächlich ins Web? Ein Blick auf frische Clickstream-Daten verrät…

Suchthema (Brancheneinteilung Semrush)Sitzungen (Mio.)Anteil an ChatGPT-Sitzungen ¹
Online Services & Tools10,031,4 %
Bildung & Fernlernen9,028,3 %
IT & Software­entwicklung7,824,5 %
Einzelhandel / E-Commerce1,96,0 %
Finanzen1,65,0 %
Gesundheit & Healthcare1,54,7 %

… wenigstens im internationalen Vergleich – für Deutschland heißt das entsprechend skaliert für den Juli 2025:

Thema / BrancheSessions Deutschland (in Tsd.)Anteil DE*
Online-Services & Tools≈ 400 k≈ 31 %
Bildung & Fernlernen≈ 360 k≈ 28 %
IT & Softwareentwicklung≈ 320 k≈ 25 %
Einzelhandel / E-Commerce≈ 80 k≈ 6 %
Finanzen≈ 64 k≈ 5 %
Gesundheit≈ 60 k≈ 5 %

Wir nehmen an, dass sich die thematische Verteilung in Deutschland proportional zur globalen Verteilung verhält. Abweichungen sind möglich, weil es bislang keine fein­granularen DE-Clickstream-Panels gibt; die Werte sollen als Orientierung dienen.

6. Das Generationen-Delta

Warum dominiert Bildung? Weil ChatGPT-Publikum jung ist: Über 45 % der Nutzer sind unter 25 Jahre, Studenten bilden die größte Berufsgruppe. Google dagegen bleibt das „Schweizer Taschenmesser“ aller Generationen – dort tummeln sich Angestellte, Rentner, Hobbygärtner im selben Suchbeet.

Für Marketer heißt das: Wer Generation Z & Alpha gewinnen will, muss in der dialogischen KI-Schicht stattfinden, nicht nur in SERP-Kacheln.

7. Intention schlägt Keyword – das Ende der reinen Liste

Die Zahlen verweisen auf einen Paradigmenwechsel: LLM-Suchen sind Prompt-first. Ein durchschnittlicher ChatGPT-Prompt ohne Websuche umfasst 23 Wörter; wird der Web-Schalter aktiviert, sinkt er auf „google-artige“ 4 Wörter. Menschen wechseln also bewusst zwischen Gespräch und Abkürzung.

Wer Inhalte anbietet, muss künftig beide Ebenen bedienen: narrative Tiefenschichten für lange Prompts und verdichtete Nuggets für Kurz-Queries.

8. Die Parallel-Realität: Bing Copilot, Perplexity & Co.

Bing holte sich bis Januar 2025 auf dem Desktop-Markt ~12 % global, getragen von seinem Chat-Modus; in Deutschland wuchs es von 3 % (2023) auf fast 6 %.

Perplexity bleibt Zwerg, doch verdoppelte sein monatliches Traffic-Volumen mehrfach. Gemeinsam mit You.com, Andi & Co. bilden sie eine experimentierfreudige Peripherie – ein Labor, in dem Content-Anbieter Sichtbarkeit ohne SERPs testen können.

9. Was bedeutet das für GEO & AEO?

Unser GEO-Framework (Generative Experience Optimisation) zielte stets darauf, Kontext vor Keyword zu stellen. LLM-Suchen zementieren diesen Ansatz:

  • Strukturierter Kontext – Markdown-saubere Überschriften, klare Hierarchien.
  • Semantische Anreicherung – Entities, Brand Mentions, vernetzte FAQs.
  • Quellenfreundliche Sprache – Absätze, die LLMs zitieren können, ohne sich zu verheddern.

Wer nur auf klassische Rankings optimiert, wird zwar weiter gefunden – aber nicht mehr zitiert.

10. Von der Suche zur Semantik – OpenAIs geplanter Browser

Sollte OpenAI tatsächlich einen eigenen Browser launchen, verschmilzt Prompt-Eingabe, Ergebnispräsentation und Web-Render in einem Interface. Die Konsequenz: Sichtbarkeit entsteht im Antwort-Fließtext, nicht in einer Trefferliste. Damit werden verlinkbare Abschnitte, Snippets und Lizenzszenarien (CC-BY etc.) strategisch – nicht nur SEO-technisch – relevant.

Ein erster Vorgeschmack sind die „AI Overviews“ von Google und Gemini-Cards – beides Narrative-Snippets, in denen Quelle + Snippet + Synthese verschmelzen.

11. Handlungsempfehlungen – fünf schnelle Stellschrauben

  1. Fragewort-SEO: Überschriften in Frageform („Wie …?“ / „Warum …?“) erhöhen die Chance, direkt in AI-Overviews oder Chat-Antworten aufzutauchen.
  2. Explizite Attribution: Verwende data-source-Tags oder klare Quellenboxen, damit LLMs deine Marke mit dem Insight verknüpfen.
  3. Bildung & Tutorials: Produziere Lernmaterial – LLM-Nutzer lieben How-to-Guides und Cheat-Sheets.
  4. Prompt-Pakete: Biete fertig formulierte Prompts an („Kopiere diesen Befehl in ChatGPT …“). Das erhöht Brand-Visibility in Copy-Paste-Flows.
  5. Monitoring: Tracke Referral-Header von chat.openai.com und copilot.microsoft.com, um dein „Dark LLM Traffic“-Potenzial zu erkennen.

12. FAQ: Unterscheidet sich LLM-Suche grundlegend von Google?


Ja. Prompt-Dialoge berücksichtigen Kontext & Verlauf; Klassische Suche bleibt transaction-orientiert.

Muss ich meine Website umbauen?
Nicht zwingend, aber semantische Auszeichnung und sauberer Content sind Pflicht, wenn LLMs dich zitieren sollen.

Gibt es SEO noch in fünf Jahren?
Ja – doch es verlagert sich von „Ranking“ zu „Retrievability“: Kann das Modell deine Aussage sicher greifen?

Welche Themen funktionieren besonders?
Lernen, Tech-Doku, akademische Ressourcen. Retail & Finance folgen mit Verzögerung.

13. Epilog: Der Spiegel im Quellcode

LLM-Suche legt unsere wahren Absichten offen: Wir Menschen wollen Anleitung, Inspiration und gelegentlich einen Gewissens-Spiegel. Die Zahlen beweisen, dass klassisches Suchen nicht stirbt – es bekommt nur Gesellschaft von einer Plaudertasche mit guter Quellenangabe.

Wer jetzt lernt, Geschichten in maschinenlesbare Fragmente zu zerlegen, beherrscht sowohl das alte Orakel als auch den neuen Gesprächspartner. Und irgendwo zwischen Prompt und PageView tanzt die Sichtbarkeit – ein schillernder Wundertier-Schmetterling im Datenwind.

🔗 Quellen & weiterführende Links

„SEO ohne Trefferliste – unser Fazit …“

Recap der sieben­teiligen GEO-/AEO-Serie hier aus der WortWunderKammer

StatCounter – Desktop Search Engine Host Market Share Germany, Juni 2025

Aktueller Markt­anteil klassischer Such­maschinen in DE.

Semrush-Blog – Investigating ChatGPT Search: Insights from 80 Million Clickstream Lines (Feb 2025)

Basis für die Tabellen-Sessions & Branchen­verteilung.

Semrush-Report – AI Overviews’ Impact on Search in 2025 (Mai 2025)

Aktuelle Daten zu Googles KI-Previews & Zero-Click-Rates.

TechCrunch – ChatGPT search is growing quickly in Europe … (21 Apr 2025) – 41,3 Mio. EU-Nutzer

DSA-Meldung, Vierfach­wachstum EU-Traffic.

Und den „Deep Research“-Report zum Thema „Marktanteil LLM-getriebener Websuchen in Deutschland (2024–2025)“ gibt’s als Download hier – 4 sehr lesenswerte Seiten!

Der Schöpfer des Wundertiers und Kopf der WortWunderKammer bei der Arbeit

Und der Dompteur des hauseigenen Wundertiers… hat diesmal eine andere Kreatur dressiert, um die Recherche, die Tabellen und den Text oben zu erstellen – ChatGPTs Modell o3. Der sprachliche Unterschied ist auf jeden Fall spürbar gegenüber dem üblichen Wundertier-Sprech. Liegt an der entsprechend konfigurierten Oberfläche, mit der wir hier arbeiten. Wenn Ihr so etwas auch für Euch nutzen wollt – nehmt Kontakt auf!

Wir zeigen Euch, wie man das ganze Ökosystem auf Eure Bedarfe abstimmt.

Und das Wundertier legt Euch auch gerne ein Ei – mit dem Ihr dann noch tiefer in die Content-Kreation einsteigen könnt.

Aber hier, wie üblich, noch einmal meine Gedanken zum Thema LLM-getriebene Suchen und Inhalte.

Fangen wir gleich mal mit dem Besten zuerst an: Content bleibt enorm wichtig. Auch wenn „die KI“ mit schnellen Schritten auf den Suchmaschinenmarkt drängt. Content meint dabei nicht das, was das LLM auf Werkseinstellung ausspuckt – Shit in, Shit out – sondern Texte, die auf die Intention der Fragestellenden eingehen. So individuell wie möglich. Die hohe Kunst, eine Meile in den Schuhen der anderen zu gehen – und den Erkenntnisgewinn entsprechend wortgewandt vortragen zu können, das ist, was die Maschine so richtig liebhat. Keyword-angereicherte Sweet Nothings nicht so sehr. Ob ich die Texte mit einem gut konfigurierten LLM und detaillierten Prompts als Rohentwurf generieren lasse und anschließend redigiere oder ob ich den Content nach alter Väter und Mütter Sitte selbst schreibe, bleibt dabei jedem Einzelnen überlassen. Auch mit einem Blick auf die Zeit, die für die Produktion zur Verfügung steht. Wir haben es da draußen mit einer Menge hungriger Leseratten zu tun, biologischen und künstlichen. Und die wollen immer mehr.

Ob die stur technokratische Vision tatsächlich sinnhaft ist, zumindest im Kontext reinen Copywritings die Menschen in den Agenturen durch plattformbasierte automatische Ad-Generierung komplett ersetzen zu können, das bleibt abzuwarten. Für den reinen Abverkauf, bei dem der niedrigste Preis und das höchste Ad-Budget das Rennen machen – wahrscheinlich ja. Aber so verkauft nicht einmal ein Discounter. Nicht ausschließlich. Nicht, wenn er sich mittelfristig am Markt behaupten will. Zeit, sich entspannt zurückzulehnen, ist trotzdem keine. Der Bedarf an gutem, zielgruppengerechtem Content, der Fragen glaubhaft im Sinne der Marke beantwortet, steigt enorm. „Mad Men Era“-getriebene Workflows und Marotten in der Contentkreation dürften endgültig der Vergangenheit angehören. „KI“ nimmt uns nicht die Jobs weg – kann sie gar nicht. Nicht alleine. Aber sie verändert unsere tägliche Arbeit. Grundlegend.

Wer glaubt, er könne, rein aus der technischen Perspektive, weitermachen, wie bisher, dem stellt allerdings selbige mittelfristig ein Bein. Googles E-E-A-T-Update für klassische Suchergebnisse konnte noch mit Invests in SEA ausgeglichen werden, wenn man die Änderung der Contentstrategie scheute. Üblicherweise, weil vermeintlich zu teuer und aufwändig. Dass im Juli 2025 noch niemand so genau weiß, wo und wie Mutter Google seine Ads in Zukunft nach der letzten fundamentalen Änderung der SERPs platzieren wird, das ist das eine… das andere ist aber sicherlich, dass LLMs bei ihrer Indizierung auch sehr genau auf Sitemap, schema.org, mobile Indexierung und eine saubere URL-Struktur achten. Ohne die… reicht es jetzt garantiert nicht mehr, mit einer schicken Webseite von 2015 an den Start zu gehen. FAQ-Abschnitte, dialogfähige Headlines, modulare Textblöcke – gerne in Blogs, die regelmäßig sinnhaft aktualisiert werden, das sind die inhaltlichen Grundlagen. Die Webseite als Dreh- und Angelpunkt von Online- und crossmedialen Auftritten beginnt an Relevanz gegenüber der Markenerwähnung in LLM-Antworten zu verlieren.

Und alles ist nichts ohne den Social Layer – Kundenbewertungen, Positionierungen in relevanten sozialen Netzwerken, Menschen die gut über die Marke sprechen – keine Social Ads! Das haben LLMs besonders lieb. Und das erfordert eine grundlegende Neuausrichtung der Kommunikationsstrategie. Auch wenn der Marktanteil von „KI-Suchen“ erst bei 2% liegt.  

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